Kann man machen … ist aber halt kacke…

Schon am nächsten Tag waren wir dann gegen Abend in Venedig und an unserm favorisierten Platz in Fusina angekommen. Wie immer lief alles ganz reibungslos und wir richteten uns für die nächsten zwei Nächte ein. Der nächste Tag startete mit schönem Wetter, Sonnenschein und etwas Wind. Wir sind also gleich zum Bootsanleger und während wir noch so auf unsere Transitfähre warteten, beschlossen wir, uns noch mal genauer die anderen Ecken von Venedig anzusehen. Also die äußeren Bezirke, da wo einen eben vielleicht nicht sofort der Touristenführer hinschickt. Zumal wir das Touriprogramm schon bei den letzten Besuchen im Ganzen hatten und froh waren, nicht wie viele tausende von armen Touristen hinter einem Menschen mit Fähnchen über die Rialtobrücke gescheucht zu werden.

Wir wollten also mal die anderen Teile genauer betrachten und sehen, wie es sich lebt in dieser Stadt. Dafür muss man das viele Wasser wirklich als Straße begreifen und so war uns eines auch sofort klar, wir benutzen „das“ Transportmittel in Venedig, den Vaporetto, das Busboot. So kommt man sehr entspannt von A nach B und sieht dabei noch eine Menge von der Stadt. Wir ließen uns also durch die Außenviertel treiben und waren wie immer verzaubert von dieser Stadt. Den Häusern, den Fassaden, die wirken als wären sie entweder nur Kulisse oder aus irgendeines Künstlers Kopf entstanden, in einem Buch erdacht und kunstvoll dargestellt. Diese Stadt bietet so viel und ist so alt und so still. Eine Überraschung hinter der nächsten Ecke, ein Geheimnis hinter der nächsten Tür. Masken und Löwen, Kanäle und Gondeln, Brücken und Gassen, und ein riesiger, stinkender, dampfender Haufen Metall.

Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass das da nicht hingehört. Diese riesigen Kreuzfahrtschiffe. Die nicht einfach nur Venedig besuchen, sondern einfach mitten durchfahren, sind einfach widerwärtig. Es tut mir leid für alle, die dieses Reisen bevorzugen, aber es ist einfach nicht zu fassen, wie man das wirklich machen kann. Da schiebt sich ein Schiff, höher als das höchste Haus dieser Stadt, mitten durch den Kanal, nur damit ein paar Upperclasstouristen den Blick auf Venedig kriegen, ohne auch nur einen Fuß in diese traumhafte Stadt zusetzten. Und es ist nicht nur eines dieser überdimensionierten Pötte. Nein, meistens machen gleich vier oder fünf in dem kleinen Hafen fest, und kotzen ihre bis zu 3000 Gäste pro Schiff einfach in die schöne alte Stadt…

Versteht mich nicht falsch, auch ich bereise diese Städte aus eben dem Grund, dass ich sie mir ansehen möchte. Aber ich möchte sie eben erleben wie sie sind, ich erwäge keines Wegs, dass man irgendwo anderes außer zu Hause meine Sprache spricht und versuche immer in der Landessprache oder wenn‘s gar nicht anders geht in Englisch zu kommunizieren. Ich möchte die Stadt so sehen wie die Einheimischen es tun, ich möchte vor allem Dingen nichts zerstörten, damit auch noch Generationen nach mir sich daran erfreuen können. Aber was diese Ozeanmonster da machen kann ich nicht nachvollziehen. Warum müssen diese Kreuzfahrtschiffe direkt an dem kleinen Stadthafen festmachen? Warum können sie nicht im eh schon großen Industriehafen festmachen und genau wie andere mit den kleinen Ferrys vom Festland übersetzten? Hätte schon mal zwei Vorteile, zum Einen wäre die Zahl der Touristen, die gleichzeitig den Punkt X in Venedig erreichen, vielleicht etwas reduzierter und zum Anderen würden diese schwimmenden Megahotels nicht das Stadtbild so verschandeln.

 

Was aber überhaupt nicht sein muss sind die gerade schon erwähnten Fahrten der Schiffe mitten durch die Stadt…. Das wäre als wenn man zuhause gemütlich aus seinem kleinen Einfamilienhaus schaut und draußen statt der sonst üblichen kleinen Straße mit ein paar Autos oder der Vorgärten des Nachbarn plötzlich das Hyatthotel vorbeigefahren kommt und alle aus ihren Hotelzimmern mal schön Tante Friede im Dachgeschoss beim Baden zuschauen. Es sollte verboten sein, dass Schiffe, die größer und höher sind als die höchsten Gebäude der Stadt dort auf eine gewisse Nähe überhaupt ranfahren dürfen.  Ich verstehe auch die Menschen nicht, die auf so einem Schiff sich das dann anschauen… wirklich!!?? Was ist denn das Problem, wenn ich reisen möchte und mir Orte ansehen möchte ist das nun mal mit Aufwand verbunden. Da muss ich mich nicht mit samt meinem Hotelzimmer mitten durch historisch wertvolle Bauten ziehen lassen. Es verdunkelt die halbe Stadt, wenn so ein Kahn vorüberzieht… und dann meint ihr wirklich ihr habt jetzt Venedig gesehen?? Ach nein, naja man ankert ja direkt mal da und nach dem an sich dann noch das interkontinentale Frühstück gegönnt hat

(schließlich möchte man sich ja nicht mit irgendwelchen landestypischen Spezialitäten das Bäuchlein anstrengen) wird man dann ohne groß nachzudenken mit einer ganzen Horde Gleichgesinnter zum Stadtausflug zitiert. Doch bevor der frischgepuderte Fuß dann unser graues Dasein mit seinem Besuch beehrt, wird noch auf die Schlitzohrigkeit der einheimischen Händler, und ganz obligatorisch auf Taschendiebe hingewiesen. Und dann kann das Abenteuer Stadterkundung endlich beginnen. Immer schön dem Schirm hinterher wird man dann zu den Hotspots geführt. Markusplatz, Rialto und vielleicht noch die eine oder andere besondere Brücke. Danach etwas gesicherten Freilauf, denn jeder Gast ist mit einem Sticker für das Schiff, dem er entstieg, markiert. Und dann geht es ganz fix auch wieder zurück… gegen 19 Uhr verlassen die tausende von Touristen, die den Kreuzfahrriesen entstiegen sind, genauso schnell wieder die Stadt wie sie gekommen waren.

Wirklich, es ist alle andere als schön, das von außen zu sehen. Mag sein, dass es, wenn man es selber macht, ein ganz vortrefflicher Urlaub ist. Aber sollte man sich nicht mal fragen, ob das wirklich nötig ist? Die Lagunenstadt bangt nicht zuletzt wegen des Klimawandels um ihre Existenz und niemand möchte einen Hyatthotel durch seinen Garten fahren haben, auch nicht, wenn man im ältesten Haus der Stadt wohnt.

Diese Dekadenz und die zur Schau getragene Gleichgültigkeit, mit der sich so ein Koloss durch die kleinen barocken Häfen der Weltgeschichte schiebt, ist wirklich nur schwer zu ertragen. Und hinterlässt bei uns, als wir schließlich nach zwei Tagen Venedig verlassen, wirklich viele Gedanken. Das Letzte, was man in der Abendstimmung von Venedig sieht, ist leider nicht die beleuchtete Skyline einer kleinen venezianischen Lagunenstadt, sondern die Beleuchtungen der MSC -Kreuzer, die Costa, Aida und wie sie nicht alle heißen, Schiffe, die hier das Hafenbecken verstopfen.