Straßenrandgeschichten

„Ein Leben voller Liebe“ oder „der Mann am Klavier“

Der Titel dieses Bloggeintags kam mir schon während der Begebenheit selbst, daher musste ich den hier ganz anders als sonst zuerst bringen, um euch alle mit zu nehmen und einzustimmen, denn es ist wieder so weit. Wir sind mal wieder unterwegs und wann immer mich die Muse küsst oder es die Zeit will werde ich etwas schreiben. Wir sind auf dem Weg Richtung Genua. So wie sonst auch haben wir keinen genauen Plan und diesen auch schon ein Paar mal geändert. Der Hauptgrund der Reise? Wir haben Zeit und brauchen Sonne und daher zog es uns ganz klar so kurz vor dem endgültigen Winter noch mal nach Italien. Norditalien hatten wir bei unserer letzten Reise ja ausgelassen und in Anbetracht der nicht ganz so langen Zeitspanne, die uns zur Verfügung steht, ist also der Norden und da als erstes Genua unser Ziel. Wir haben uns entschieden dieses Mal durch die Schweiz zufahren und sind inzwischen schon seit Freitag, an späten Abend unterwegs. Gestern Abend kam dann, was mich dann doch bewegt diesen Bloggeintag zu schreiben und euch zur Verfügung zu stellen.

Der gestrige Tag verlief eigentlich sehr ereignislos. Wir wollten in erster Linie Strecke machen und so weit wie möglich nach Süden kommen. Da uns der Stau aber immer wieder abseits der Strecke führte, kamen wir nicht so schnell und nur mit einigen Schlenkern voran, so dass wir den Grenzübergang in die Schweiz knapp verpasst und damit das Tagesendziel dann Meersburg am Bodensee hieß.

Auch hier spielte eher der Zufall mit. Wir hatten schon drei Stellplätze vorher versucht, doch diese waren entweder zu oder voll oder existierten schlicht einfach nicht mehr…

Und auf dem kleinen Stellplatz in Meersburg fand sich dann das letzte Eckchen. Einmal direkt über die Straße gab es ein großes und hell beleuchtetes Gasthaus“ zum Letzten Heller“. Und uns als Fantasy erprobte Rollenspieler und auch als hungrige Camper zog es nun sehr begeistert hinein in die volle Schankstube. Auf dem Weg zur Tür fiel uns fast eine Frau in die Arme. Ihr Begleiter war schon wortlos an uns vorrübergegangen, aber sie drehte sich noch um und warnte mit lallender Zunge: Geht da nischtrein!! Da ischt esch gar nicht luschtig, die verstehen keinen Spaß ! Also zum Essen geht’s, aber sonscht geht da nischrein! Die sind alle total langweilisch“ Wir schlugen die Warnung in den Wind, da wir zum einen eh Essen wollten und zum andern zumindest der Wein anscheinend nicht so schlecht sein kann ? Das Gasthaus war gut besucht und so konnte man uns nur noch einen Platz am Stammtisch der Winzerfamilie anbieten, den wir aber gerne annahmen. Nach einem hervorragenden Essen musste ich kurz austreten und als ich wieder zurück zum Tisch kam hatten wir Besuch bekommen. Er saß da wo er immer schon saß, schon einige Jahre und das wir nun daneben saßen war eine freudige Abwechslung. Man kam ins Gespräch und ja wo kommt Ihr denn her? Hmm.. ahah aus dem Bergischen, ja das sagt jetzt nur jemanden was der da herkommt…! Ja stimmt gut kenn ich .. Ich bin aus Oberhausen…

Wir guckten etwas verdutzt. Aber er war tatsächlich geboren und aufgewachsen in Oberhausen und von da dann hier am Bodensee gelandet. Aber dazwischen gab es noch ein paar Stationen und Ereignisse…

Am Anfang solcher Situationen da denkt man schon: ach, jetzt trinken wir nur schnell auf und müssen uns dann leider entschuldigen… so dachten auch wir… aber nur kurz, denn dieses Gespräch, diese Unterhaltung zog uns so in den Bann … Zwischen uns saß ein Mann mit weißem kurzem Haar und rundem Gesicht. Seine Züge zeugten von viel Leben und viel Lachen. Seine Augen waren wach und blitzen uns an und es schien als könne er zu jedem von uns angeschnittenen Thema etwas sagen.

Er war bei der Marine und ist dadurch in Amerika gewesen. Süd und Mittel Amerika und alle großen Marinehäfen die es da gibt… Er ist Rad gefahren… aber nicht einfach so. Sport gehört wie lieben zu seinem Leben. Beides tat er ausdauernd und mit vollem Herzen … so fuhr er mit dem Rad vom Bodensee bis Flensburg, oder auch vom Bodensee bis nach Amsterdam. Er hat es auch mit Marseille versuch, doch dort wollte niemand mit ihm sprechen oder gar seinen Wein teilen, so fuhr er kurzerhand wieder Heim zu seiner Frau. Mit Ihr hat er vier Kinder, die er wie wir aus seinen Erzählungen wissen sehr liebt. Ob sozial engagiert oder in der Wirtschaft tätig, einen schon verloren und doch nie vergessen…, ob verheiratet oder mit gleichgeschlechtlichem Lebenspartner…, es gibt eine Liebe die nur ein Vater zu seinen Kindern haben kann und wenn man Willi (so hatte er sich Zwischenzeitlich vorgestellt) so reden hört, und ihn sah wie er zwei vollkommen Fremden mit leuchtenden Augen von der Liebe zu seinen Kindern erzählt, dann weiß man worauf es im Leben ankommt.

Es klingt tatsächlich abgedroschen aber dieser Mann mit diesem wunderbaren Leben ließ uns teilhaben an dem was er in Erfahrung gebracht hat und dem was es heißt glücklich zu sein. „Es ist so einfach seiner Frau jeden Tag, Blumen mit zu bringen und sie hat es auch verdient! Muss man nur machen!“ „ Und jeden Sonntag mit der Familie zusammen frühstücken und einfach miteinander reden.., man darf sich nicht verlieren…“ zu der Liebe zu seiner Frau sagte er zwei Dinge 1: „Sie wusste, sie konnte einen wie mich nicht festketten, und genau deswegen wollte ich nie von ihr weg“. Und 2.: „Bei uns geht es immer zuerst darum was kann ich für dich tun?! Dann erst was kann ich für uns beide tun und zuletzt was tu ich für mich!!“

Manchmal scheint es einfach zu einfach. Dieses Leben und einfach machen, das hat Willi sich immer wieder vorgenommen. Er wollte es jetzt tun, jetzt die Strecke Radfahren einfach los und er wollte es jetzt tun und die Frau seines Lebens nach 14 Tagen heiraten und jetzt eine Firma.. und genauso hat er sie dann auch wieder verkauft die Firma, damit er wieder so leben und arbeiten kann das er Spaß daran hat. Neues im hier und jetzt. Jetzt ist was zählt.

Wir bestellten die nächste Runde Wein. Willi erzählt von seinen Hobbys. Vom Handball und Tischtennis und vor allem von der Musik. Er kommt gerade von einem Jazzkonzert. „Die waren nicht schlecht, die 6 alten Männer!“ : sagt er und lacht. Wir schätzen ihn maximal auf Mitte bis Ende 60.. wie sich jedoch später herausstellte wird Willi nächstes Jahr 80!!

Er selbst spielt Akkordeon und Klavier und Gitarre. Gitarre wurde zuletzt etwas vernachlässigt, da der Bauch wohl gewachsen ist aber die Arme nicht mit..!! Aber jetzt hat sich ein Musikladen um die Ecke aufgelöst und da konnte er es nicht lassen und hat sich dann doch noch mal eine neue kleine Westerngitarre gekauft. Überall wo man hin kommt sollte man musizieren können. Wenn irgendwo eine Gitarre steht spiel sie und sing laut mit. Dann lernst du so schnell Menschen kennen wie sonst nirgends. So war er ob bei der Marine oder auch auf seinen Reisen durch Asien von Singapur bis Australien schon oft unterwegs. Und hat an vielen Stammtischen gesessen und Musik gemacht. Auch während der Schulzeit. Er traf eine alte Freundin, die ihn nicht direkt erkannte. Erst als er dann sagte: „ich war der Mann am Klavier“, fiel der Schulfreundin wieder ein, wie gut man sich kannte ?

 

Nach drei Stunden, in denen wir von einem uns zuvor vollkommenen Fremden zum Gespräch und Gedanken eingeladen waren, kehrten wir trunken vor Glück, Weisheit und Wein zu unserem Lukas zurück. Dieses Gespräch bewegt mich noch heute so sehr, dass ich es doch einmal mitteilen wollte. Denn genau diese Straßenrandgeschichten sind es, die das Womo- Leben und das Reisen dieser Art für uns immer wieder ganz besonders machen. Auch wenn ich hier nur einen Bruchteil dessen Wiedergebe was uns dieser Abend und diese Begegnung bedeutet hat und auch nur ein minimalster Teil seiner Geschichten hier Platz finden… Er war unter anderem auch Ziehvater in einem Kinderheim und hat inzwischen sechs Enkelkinder, er war in Finnland und so gut wie allen Häfen dieser Welt… denke ich bekommt ihr doch einen ganz guten Eindruck.

Auch wenn du es vielleicht nicht lesen wirst: Lieber Willi, wir danken dir für einen wundervollen Abend. Dafür, dass du deine Geschichte und einen Gedanken mit uns geteilt hast. Wir nehmen es mit und uns zu Herzen.

Für heute damit: Buena Notte

Ein Gedanke zu “Straßenrandgeschichten

  1. Da Ihr in Genua seid, schaut mal im Hafen nach dem Volvo-LKW von Theo Gromberg. Der wurde damals an der Raststätte Stuckenbusch geklaut. Wenn ich richtig informiert bin, ist der bis jetzt nicht wieder aufgetaucht.
    Übrigens seid Ihr laut meiner Taschenkalenderkarte nur 5 cm von zu Hause entfernt.
    Habt euch wohl und macht euch noch ein paar schöne Tage.

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